Im Rahmen des Workshops »Aktuelle Entwicklungen generativer KI und Technologietransfer in die Landwirtschaft, den ländlichen Raum und die Lebensmittelkette«, der vom 20. bis 21. Februar 2024 in Berlin stattfand, entstand ein Beitrag von Fraunhofer FOKUS über KI in den Stadt-Land-Fluss-Komponenten.
Im Projekt Stadt-Land-Fluss (SLF) haben wir im Rahmen der industriellen Forschung ein »IKT-Ökosystem« auf Basis einer standardisierten Referenzarchitektur nach DIN Spec 91357 entwickelt. Dieses besteht aus verschiedenen Schichten. Die Anwendungsschicht unseres IKT-Ökosystems ist mit verschiedenen, teilweise auf KI-Technologie basierenden Demonstratorkomponenten ausgestattet, die insgesamt das Ziel haben, zu mehr Nachhaltigkeit im regionalen Ernährungssystem beizutragen. Die Referenzarchitektur ist bewusst abstrakt und modular aufgebaut. Das bedeutet auch, dass sie unabhängig von Technologien, Marktstrukturen, Implementierungsmethoden, Anbietern und Produkten ist. Unterschiedliche Infrastrukturansätze sind auch in Zukunft realisierbar. Das Konzept der IKT-Referenzarchitektur wurde für das SLF-Projekt verwendet, da es eine einheitliche Sicht und ein einheitliches Verständnis der IKT-Strategien des relevanten Ökosystems schafft, die Identifikation von Schnittstellen für die Kommunikation zwischen den beteiligten Komponenten unterstützt und den Austausch und die Interoperabilität unterschiedlicher Komponenten bzw. Softwarepakete entlang der identifizierten und standardisierten Schnittstellen ermöglicht. Die Architektur und das zugehörige IKT-Ökosystem des SLF sind flexibel gestaltet und jederzeit um weitere Komponenten erweiterbar.
Das SLF nutzt und untersucht mit seinen Komponenten/Demonstratoren (Recommender, Logistikplanung, Chatbots) verschiedene Methoden und Technologien der KI. Die zugrundeliegenden Ansätze der verschiedenen SLF-Demonstratoren liegen sowohl im Bereich der »rationalen« als auch der »verhaltensbasierten« KI.
Im SLF-Ökosystem setzen wir keine »Generative KI« ein. Aufgrund der Architektur unseres flexibel ausgelegten und jederzeit um weitere Komponenten erweiterbaren IKT-Ökosystems im SLF sind Ergänzungen durch innovative oder verbesserte Komponenten, die z. B. generative KI nutzen, z. B. als Digital Twin für Lagerhaltung etc. ohne weiteres denkbar, sofern sie im Rahmen der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten und der nachhaltigen Transformation des Ernährungssystems sinnvoll sind.
Stadt-Land-Fluss: Das Ökosystem
SLF-Recommender als ein Beispiel für einen rationalen KI-Ansatz
Ziel des SLF-Recommenders ist es, eine technische Lösung zu implementieren, die Landwirte, Logistiker und Caterer zusammenbringt, um neue langfristige Geschäftsvereinbarungen zu treffen. Dabei sollen vor allem Faktoren nachhaltiger Lieferketten in die Entscheidungsfindung einfließen. Solche Kriterien sind beispielsweise CO2-Emissionen (PCF), Bündelungsmöglichkeiten, Wasserverbrauch und regionale Verfügbarkeit. Eine wichtige Konsequenz könnte die Verringerung der Marktintransparenz sein, die vor allem durch große Einzelhandelsketten und Großhändler geschaffen wird. Der Demonstrator des SLF-Recommenders besteht aus einem modularen Empfehlungssystem (Recommender) und den zugehörigen und für den Betrieb notwendigen Knoten (Nodes, Optimierungsfaktoren). Die Knoten innerhalb des Recommenders sind technisch unabhängig, mit Ausnahme einer vordefinierten Schnittstelle, welche die Kommunikation mit dem Recommender selbst definiert.
Die KI-Anwendungskomponente, SLF-Recommender, ist ein »Regelbasierter Empfehlungsdienst«, die ausgewählte, zugrunde liegende KI-Technologie ist ein »Inhaltsbasierter Empfehlungsdienst«. Diese KI-Anwendung des SLF basiert auf einem »Rationalen KI-Ansatz«.
SLF- Optimierte Tourenplanung mittels Constraint Programming (rationaler Ansatz)
Für die emissionsarme Planung von Liefertouren innerhalb von Lieferketten hat SLF die Anforderungen an die zu erfüllenden und zu optimierenden Kriterien für eine emissionsarme Planung von Liefer- und Abholtouren erarbeitet. Hierfür wurde ein Lösungsansatz auf Basis des »Constraint Programming« (CP) Paradigmas erarbeitet und unter Nutzung des FOKUS-eigenen CP-Solver firstCS implementiert sowie als Webservice zur Erprobung und Integration bereitgestellt.
In einen weiteren Schritt wurde ein graphisches Frontend entwickelt, mit dem die SLF-Tourenplanung über Smartphones oder Tablets interaktiv und intuitiv bedient werden kann und die Ergebnisse visuell aufbereitet werden. Dieses Frontend wurde in die »SLF-App« integriert und ist für die entsprechenden SLF-Benutzerrollen (z.B. Logistiker) über ein Menü zugänglich.
Bei der KI-Anwendungskomponente »SLF-Tourenplanung« handelt es sich um eine »optimierende Tourenplanung«. Die zugrunde liegende KI-Technologie kombiniert Verfahren des »Operations Research« zur Suchraumeinschränkung mit heuristischer Suche und Branch & Bound bei der schrittweisen Optimierung.
SLF-Chatbots nutzen verhaltensorientierten KI-Ansatz
Das SLF-App-Frontend integriert die Dienste des SLF in einer einheitlichen Benutzerschnittstelle (siehe Abbildung 1) und bietet unterschiedliche Sichten pro Benutzerrolle, beispielsweise Erzeuger:in, Lieferant:in und Verarbeiter:in.
Die SLF-Komponenten arbeiten entlang der im Stadt-Land-Fluss-Kontext definierten Wertschöpfungsketten. Dies wird durch eine multimodale Interaktion mit Hilfe eines Chatbot-Frameworks und einer damit verbundenen benutzerfreundlichen Schnittstelle erreicht.
Die KI-Anwendung ist eine »Multimodale Interaktion mit Chatbots für Smartphones«. Als KI-Technologie wurde im SLF-Projekt »Speech and Natural Language Processing (NLP), Dialog Management« gewählt. Der entsprechende KI-Ansatz ist »Verhaltensorientiert (Maschinelles Lernen aus Daten), angereichert mit deklarativem Wissen«.
Veröffentlichung auf der Mensch und Computer 2023 zu SLF »Fake it and Let Them Make it: Combining Wizard-of-Oz and Rapid Prototyping Tools for a Holistic Co-Design of Conversational User Interfaces«: DOI: 10.1145/3603555.3608549
Veröffentlichung auf der Informatik 2023 zu SLF »HalloBzar: A German chatbot for accessing the regional digital marketplace«: DOI: 10.18420/inf2023_164
SLF-HubAllocator: Optimale Standortbestimmung von zentralen Verteillagern
Für die Standortempfehlung von Food-Hubs wurden die zu erfüllenden und zu optimierenden Kriterien für die optimale Auswahl potenzieller Standorte für Lebensmittelverteilzentren (sogenannte »Food-Hubs«) erarbeitet. Auf Basis eines adäquaten mathematischen Problemmodells konnte ein exaktes, effizientes, problemspezifisches Lösungsverfahren mit kubischer Laufzeit in der Anzahl der anzufahrenden Standorte ausgewählt werden. Das Verfahren wurde implementiert und als Webservice zur Verfügung gestellt.
Da gemäß den Anforderungen ein spezieller effizienter Algorithmus aus der mathematischen Optimierung für die optimale Auswahl von »(Food) Hub Locations« genutzt werden konnte, wurde auf allgemeinere KI-Technologien zur »Planung und Optimierung« verzichtet.