Stadt Land Fluss

Vegetable on market stall on the famous Munich Viktualienmarkt in the centre of Munich, Germany
© iStock / Nikada

Das Verbundprojekt »Stadt-Land-Fluss (SLF)« entwickelte im Rahmen des Forschungs­schwerpunkts »Künstliche Intelligenz (KI) in der Landwirtschaft, der Lebensmittelkette, der gesundheitlichen Ernährung und den Ländlichen Räumen« eine nachhaltige Lösung zur Stärkung »Regionaler Ernährungssysteme« mittels verschiedener KI-Werkzeuge auf Basis eines mehrschichtigen »SLF-IKT-Ökosystems« als Service- und Integrationsplattform.

Das Projekt zielte darauf ab, das regionale Ernährungssystem durch digitale, KI-gestützte Innovationen regionaler und nachhaltiger zu gestalten. Der Konsum regionaler Produkte stärkt die lokale Wirtschaft und Studien zeigen, dass Verbraucher mehr regionale Produkte und transparente Informationen zu diesen wünschen. Regionale Produzenten benötigen Informationen über Kundenbedürfnisse und Kaufverhalten, um den Anbau planen zu können. Die Installation und das Management einer soliden Datenbasis für Ernährungs­daten sowie die dazugehörige, verteilte IT-Infrastruktur sind daher entscheidend für den Aufbau eines digitalen, regionalen Ernährungssystems.

Im Projekt wurde daher eine Serviceplattform als IKT-Ökosystem zur digitalen Unterstützung des regionalen Ernährungssystems entwickelt. Das IKT-Ökosystem ermöglicht die Kommunikation und Zusammenführung relevanter Informationen sowie datenverarbeitender Komponenten und vernetzt Verbraucher, Lieferanten und Produzenten. SLF wurde mit verschiedenen, u.a. auf KI-Technologien basierenden Demonstratorkomponenten für ausgewählte Anwendungsfälle ausgestattet, die auf andere regionale Ernährungssysteme übertragbar sind:

  • SLF-Recommender als »inhaltsbasierter Empfehlungsdienst«
  • SLF-Tourenplanung in der Lebensmittellogistik mittels »Constraint Programming«
  • SLF-Chatbots mit »Speech and Natural Language Processing (NLP) und Dialog Management« durch Anreicherung verhaltensorientierter KI-Ansätze (ML) mit deklarativem Wissen

Das IKT-Ökosystem basiert auf einer verteilten, offenen Referenzarchitektur nach DIN SPEC 91357 und erleichtert die Integration zusätzlicher Dienste und Datenquellen. Es fördert Flexi­bilität, Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit. Partizipative Methoden, Schulungen, Evaluierungs­­prozesse und Geschäftsmodell­entwicklung ergänzten die technischen Entwicklungen.

Das Projektkonsortium bestand neben Fraunhofer FOKUS als Koordinator aus folgenden Forschungspartnern: Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Technische Universität Berlin und den folgenden KMUs: PIELERS GmbH, GHS GRUBER & HUFNAGEL Software­entwicklung GmbH, nearbuy GmbH, Lienig Wildfruchtverarbeitung GmbH und Terra Naturkost Handels KG sowie den Netzwerk­verbänden „Verband der Software-, Informations- und Kommunikationsindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. (SIBB), Pro agro – Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg-Berlin e.V.

Fraunhofer FOKUS entwickelte das IKT-Ökosystem und legte dabei besonderen Wert auf die Interoperabilität seiner Komponenten: einer KI-Komponente zur optimierten Tourenplanung, einer Komponente zur optimalen Auswahl von zentralen (Lebensmittel-)Verteillagern sowie einer Wasserverbrauchs­komponente als Teil des SLF-Recommenders.

Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) im Projekt Stadt-Land-Fluss (SLF)

Im Rahmen des Workshops »Aktuelle Entwicklungen generativer KI und Technologietransfer in die Landwirtschaft, den ländlichen Raum und die Lebensmittelkette«, der vom 20. bis 21. Februar 2024 in Berlin stattfand, entstand ein Beitrag von Fraunhofer FOKUS über KI in den Stadt-Land-Fluss-Komponenten.

Im Projekt Stadt-Land-Fluss (SLF) haben wir im Rahmen der industriellen Forschung ein »IKT-Ökosystem« auf Basis einer standardisierten Referenzarchitektur nach DIN Spec 91357 entwickelt. Dieses besteht aus verschiedenen Schichten. Die Anwendungsschicht unseres IKT-Ökosystems ist mit verschiedenen, teilweise auf KI-Technologie basierenden Demonstratorkomponenten ausgestattet, die insgesamt das Ziel haben, zu mehr Nachhaltigkeit im regionalen Ernährungssystem beizutragen. Die Referenzarchitektur ist bewusst abstrakt und modular aufgebaut. Das bedeutet auch, dass sie unabhängig von Technologien, Marktstrukturen, Implementierungsmethoden, Anbietern und Produkten ist. Unterschiedliche Infrastrukturansätze sind auch in Zukunft realisierbar. Das Konzept der IKT-Referenzarchitektur wurde für das SLF-Projekt verwendet, da es eine einheitliche Sicht und ein einheitliches Verständnis der IKT-Strategien des relevanten Ökosystems schafft, die Identifikation von Schnittstellen für die Kommunikation zwischen den beteiligten Komponenten unterstützt und den Austausch und die Interoperabilität unterschiedlicher Komponenten bzw. Softwarepakete entlang der identifizierten und standardisierten Schnittstellen ermöglicht. Die Architektur und das zugehörige IKT-Ökosystem des SLF sind flexibel gestaltet und jederzeit um weitere Komponenten erweiterbar.

Das SLF nutzt und untersucht mit seinen Komponenten/Demonstratoren (Recommender, Logistikplanung, Chatbots) verschiedene Methoden und Technologien der KI. Die zugrundeliegenden Ansätze der verschiedenen SLF-Demonstratoren liegen sowohl im Bereich der »rationalen« als auch der »verhaltensbasierten« KI.

Im SLF-Ökosystem setzen wir keine »Generative KI« ein. Aufgrund der Architektur unseres flexibel ausgelegten und jederzeit um weitere Komponenten erweiterbaren IKT-Ökosystems im SLF sind Ergänzungen durch innovative oder verbesserte Komponenten, die z. B. generative KI nutzen, z. B. als Digital Twin für Lagerhaltung etc. ohne weiteres denkbar, sofern sie im Rahmen der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten und der nachhaltigen Transformation des Ernährungssystems sinnvoll sind.

Stadt-Land-Fluss: Das Ökosystem

SLF-Recommender als ein Beispiel für einen rationalen KI-Ansatz

Ziel des SLF-Recommenders ist es, eine technische Lösung zu implementieren, die Landwirte, Logistiker und Caterer zusammenbringt, um neue langfristige Geschäftsvereinbarungen zu treffen. Dabei sollen vor allem Faktoren nachhaltiger Lieferketten in die Entscheidungsfindung einfließen. Solche Kriterien sind beispielsweise CO2-Emissionen (PCF), Bündelungsmöglichkeiten, Wasserverbrauch und regionale Verfügbarkeit. Eine wichtige Konsequenz könnte die Verringerung der Marktintransparenz sein, die vor allem durch große Einzelhandelsketten und Großhändler geschaffen wird. Der Demonstrator des SLF-Recommenders besteht aus einem modularen Empfehlungssystem (Recommender) und den zugehörigen und für den Betrieb notwendigen Knoten (Nodes, Optimierungsfaktoren). Die Knoten innerhalb des Recommenders sind technisch unabhängig, mit Ausnahme einer vordefinierten Schnittstelle, welche die Kommunikation mit dem Recommender selbst definiert.

Die KI-Anwendungskomponente, SLF-Recommender, ist ein »Regelbasierter Empfehlungsdienst«, die ausgewählte, zugrunde liegende KI-Technologie ist ein »Inhaltsbasierter Empfehlungsdienst«. Diese KI-Anwendung des SLF basiert auf einem »Rationalen KI-Ansatz«.

SLF- Optimierte Tourenplanung mittels Constraint Programming (rationaler Ansatz)

Für die emissionsarme Planung von Liefertouren innerhalb von Lieferketten hat SLF die Anforderungen an die zu erfüllenden und zu optimierenden Kriterien für eine emissionsarme Planung von Liefer- und Abholtouren erarbeitet. Hierfür wurde ein Lösungsansatz auf Basis des »Constraint Programming« (CP) Paradigmas erarbeitet und unter Nutzung des FOKUS-eigenen CP-Solver firstCS implementiert sowie als Webservice zur Erprobung und Integration bereitgestellt.

In einen weiteren Schritt wurde ein graphisches Frontend entwickelt, mit dem die SLF-Tourenplanung über Smartphones oder Tablets interaktiv und intuitiv bedient werden kann und die Ergebnisse visuell aufbereitet werden. Dieses Frontend wurde in die »SLF-App« integriert und ist für die entsprechenden SLF-Benutzerrollen (z.B. Logistiker) über ein Menü zugänglich.

Bei der KI-Anwendungskomponente »SLF-Tourenplanung« handelt es sich um eine »optimierende Tourenplanung«. Die zugrunde liegende KI-Technologie kombiniert Verfahren des »Operations Research« zur Suchraumeinschränkung mit heuristischer Suche und Branch & Bound bei der schrittweisen Optimierung.

SLF-Chatbots nutzen verhaltensorientierten KI-Ansatz

Das SLF-App-Frontend integriert die Dienste des SLF in einer einheitlichen Benutzerschnittstelle (siehe Abbildung 1) und bietet unterschiedliche Sichten pro Benutzerrolle, beispielsweise Erzeuger:in, Lieferant:in und Verarbeiter:in.

Die SLF-Komponenten arbeiten entlang der im Stadt-Land-Fluss-Kontext definierten Wertschöpfungsketten. Dies wird durch eine multimodale Interaktion mit Hilfe eines Chatbot-Frameworks und einer damit verbundenen benutzerfreundlichen Schnittstelle erreicht.

Die KI-Anwendung ist eine »Multimodale Interaktion mit Chatbots für Smartphones«. Als KI-Technologie wurde im SLF-Projekt »Speech and Natural Language Processing (NLP), Dialog Management« gewählt. Der entsprechende KI-Ansatz ist »Verhaltensorientiert (Maschinelles Lernen aus Daten), angereichert mit deklarativem Wissen«.

Veröffentlichung auf der Mensch und Computer 2023 zu SLF »Fake it and Let Them Make it: Combining Wizard-of-Oz and Rapid Prototyping Tools for a Holistic Co-Design of Conversational User Interfaces«: DOI: 10.1145/3603555.3608549

Veröffentlichung auf der Informatik 2023 zu SLF »HalloBzar: A German chatbot for accessing the regional digital marketplace«: DOI: 10.18420/inf2023_164

SLF-HubAllocator: Optimale Standortbestimmung von zentralen Verteillagern

Für die Standortempfehlung von Food-Hubs wurden die zu erfüllenden und zu optimierenden Kriterien für die optimale Auswahl potenzieller Standorte für Lebensmittelverteilzentren (sogenannte »Food-Hubs«) erarbeitet. Auf Basis eines adäquaten mathematischen Problemmodells konnte ein exaktes, effizientes, problemspezifisches Lösungsverfahren mit kubischer Laufzeit in der Anzahl der anzufahrenden Standorte ausgewählt werden. Das Verfahren wurde implementiert und als Webservice zur Verfügung gestellt.

Da gemäß den Anforderungen ein spezieller effizienter Algorithmus aus der mathematischen Optimierung für die optimale Auswahl von »(Food) Hub Locations« genutzt werden konnte, wurde auf allgemeinere KI-Technologien zur »Planung und Optimierung« verzichtet.

Publikationen

  • Cuno, Silke et al. (2021): Datenplattformen und KI-Werkzeuge zur Stärkung der regionalen Ernährungssysteme in: Stadtforschung und Statistik: 34, 2, 2021, ISSN: 0934-5868, PID: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-75080-2.
  • Cuno, Silke; Lämmel, Philipp (2024), Use of Semantic Artefacts in Agricultural Data-Driven Service Development”, in: „DATA 2024, 13th International Conference on Data Science, Technology and Applications”, https://data.scitevents.org, Dijon, July 2024 (Veröffentlichung folgt).
  • Wolf, Armin; Cuno, Silke (2023): Emission-Reducing Vehicle Routing in Food Logistics. 
in: INFORMATIK 2023 - Designing Futures: Zukünfte gestalten. DOI: 10.18420/inf2023_163.  Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.. PISSN: 1617-5468. ISBN: 978-3-88579-731-9,  Ökologische Nachhaltigkeit - Kolloquium Landwirtschaft der Zukunft - Ist KI ein wesentlicher Schlüssel zur nachhaltigeren Landwirtschaft?.  Berlin. 26.-29. September 2023.

Gefördert durch

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